Heinz Rühmann (1902-1994) war der Größte, zumindest einer der Größten, obwohl er mit seinen 1,65 Metern von der Statur her eher klein war. 1995 wurde er posthum sogar als „größter deutscher Schauspieler des Jahrhunderts“ geehrt. Über 60 Jahre lang war er ein Liebling der Deutschen – und zwar von unterschiedlichen Generationen. Rühmann war ein Star während der NS-Zeit, und er wurde danach wieder einer. Am 7. März hätte er seinen 120. Geburtstag.
Schwerer Start für den Hoteliersohn aus Essen
Der Hoteliersohn aus Essen, der nach der Scheidung der Eltern und dem Tod des Vaters bei der Mutter in München aufwuchs, wollte schon als Kind Schauspieler werde. Dafür schmiss er trotz guter Noten das Abitur und nahm Schauspielunterricht. Seine ersten beruflichen Gehversuche am Theater waren nicht erfolgversprechend. Als jugendlicher Liebhaber war er für Publikum und Regisseure eine Witzfigur, in Breslau wurde er sogar wegen „mangelnder Begabung“ entlassen. Er war eben nicht der heldenhafte Strahlemann, das wurde ihm unmissverständlich klargemacht.
Bis ihm der Kragen platzte und er, verärgert über die Nebenrolle, die man ihm am Residenztheater Hannover wegen „mangelnder Ausstrahlung“ gegeben hatte, seinen Text unkonzentriert und im Tonfall einer beleidigten Leberwurst runterleierte. Das Publikum tobte vor Begeisterung, und Rühmann schrieb später: „Und dieses mufflige Spielen von mir und diese merkwürdige Beiseite-Art, die ich da hatte, weil ich schlecht gelaunt war, brachte mir einen derartigen Erfolg an dem Abend, dass ich mir sagte: Was ist nun passiert?“
Es war die Initialzündung des Komödianten Heinz Rühmann, sein Durchstarten zu einer großen Karriere als Schauspieler, die ihn an Bühnen nach Bremen, München und Berlin bringen sollte. Die eigenwillige Art der Darstellung behielt er künftig bei, sie machte ihn zum Star.
Seine Filme
Bis 1930 war er ein erfolgreicher Theaterschauspieler, der nur zweimal in Stummfilmen („Das deutsche Mutterherz“, 1926, und „Das Mädchen mit den fünf Nullen, 1927) mitgewirkt hatte – und das nur, weil die Gagen leicht verdientes Geld waren. Dabei war das neue Medium Tonfilm für Heinz Rühmann und seiner abgehackten, modulationsarmen Art zu sprechen, eine ideale Bühne. Dann entdeckte ihn der UFA-Produktionschef Erich Pommer (1889-1966): Rühmann bekam neben den etablierten Stars Willy Fritsch (1901-1973) und Oskar Karlweiß (1894-1956) die dritte Hauptrolle in „Die Drei von der Tankstelle“, ein Erfolgsfilm, der ihn 1930 schlagartig berühmt machte.
Von da an war Heinz Rühmann der beliebteste deutsche Schauspieler. Allein zwischen 1930 und 1945 drehte er 49 Spielfilme. Die Nazi-Politiker Hermann Göring (1893-1946) und Joseph Goebbels (1897-1945) waren ausgesprochene Rühmann-Fans, mehr noch: Der Pfiffikus Heinz Rühmann mit dem treuherzigen Augenaufschlag hielt während des Zweiten Weltkriegs mit Filmen wie „Kleider machen Leute“ (1940), „Quax, der Bruchpilot“ (1941), und „Die Feuerzangenbowle“ (1944) „das Volk bei Laune“, wie Propaganda-Minister Goebbels glaubte. Für ihn war Rühmann „kriegswichtig“, er wurde in die „Gottbegnadeten“-Liste des grausamen Nazi-Regimes aufgenommen; sie enthielt nur Künstler, die unter besonderem Schutz standen.
Dabei ist Rühmann nie als eifernder Nationalsozialist aufgefallen. Er hatte einfach nur den kleinen Heinz Rühmann gespielt, dem irgendwie keine noch so schlimme Widrigkeit des Lebens etwas anhaben kann – ein Überlebenskünstler mit Herz und Mutterwitz, der eine heile Welt vorgaukelte. „Seine Filme waren auf den ersten Blick harmlose Unterhaltungsware, deshalb aber nicht weniger systemstabilisierend“, schrieb die „taz„.
Nach dem Krieg wurde 1946 beim Entnazifizierungsverfahren festgestellt, dass „keine Bedenken gegen eine weitere künstlerische Betätigung des Herrn Rühmann“ bestünden. So konnte er nahtlos seine Karriere fortsetzen. Von 1948 bis 1992 drehte er 44 Kino- und 13 TV-Filme, neben Rühmann-Komödien wie „Charleys Tante“ (1956) auch anspruchsvollere Werke mit dem Charakterschauspieler Heinz Rühmann wie „Der Hauptmann von Köpenick“ (1956), „Es geschah am helllichten Tag“ (1958), „Der brave Soldat Schwejk“ (1960), „Das Narrenschiff“ (1965) – seine einzige Hollywood-Produktion – oder „Der Tod des Handlungsreisenden“ (1968). Und er wurde der erste und mit Abstand beste deutschsprachige Pater Brown (1960/1962), ein Detektiv im Priestergewand.
Seine Lieder
Man kann nicht sagen, dass Heinz Rühmann ein Sänger mit einer großen Stimme war. Zu vielen seiner Filme gehörte aber auch der Gesang. Und den stemmte er auf seine eigene Art und Weise. Seine Lieder klangen wie ein leicht heiserer Sprechgesang, heute würde man sagen: wie ganz früher Rap. Weil das jeder mitträllern konnte, entstanden über zehn Erfolgsschlager wie „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“, „Jawoll, meine Herr’n“, „Ein Freund, ein guter Freund“.
Einige seiner Songs haben die Menschen sehr berührt, etwa „Der Clown“ oder „Ich weiß“. Oder das Schlaflied „La Le Lu“ aus den Film „Wenn der Vater mit dem Sohne“ (1955). Die Neuauflage von Cinematic kam 1993 auf Platz elf der deutschen Single-Charts.
Seine große Leidenschaft
Heinz Rühmanns erste große Leidenschaft war zweifelsohne der Bühne gewidmet, dem Live-Auftritt. Er gehörte in den 1960er-Jahren dem Wiener-Burgtheater-Ensemble an und spielte in den Münchner Kammerspielen in „Warten auf Godot“ mit. Als 74-jähriger trat er als Frosch in „Die Fledermaus“ an der Wiener Staatsoper auf und als Clown im Zirkus Krone. Und er hielt Weihnachtslesungen in der Hamburger St. Michaeliskirche.
Die zweite Leidenschaft war völlig anderer Natur: Heinz Rühmann liebte das Fliegen. Er lernte bei Eduard von Schleich (1888-1947), einer Jagdflieger-Legende aus dem Ersten Weltkrieg, und war mit dem berühmten Kampfpiloten Ernst Udet (1896-1941) befreundet. 1930 bestand er die Prüfung zu seiner Fluglizenz. Von da an verbrachte er fast jeden freien Tag im Cockpit der meist eigenen Maschinen. Einige behaupten, dass Rühmann so viele Filme gedreht habe, um seine Flug-Leidenschaft zu finanzieren.
Er galt als überdurchschnittlich begabter Flieger. Bei den Dreharbeiten zu „Quax, der Bruchpilot“ flog Rühmann sogar die Kunstflug-Einlagen selbst. Erst mit 80 Jahren gab er seinen Pilotenschein ab.
Seine Frauen
In einem seiner großen Erfolgsschlager singt Heinz Rühmann: „Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frau’n, weil ich so stürmisch und so leidenschaftlich bin. Ich brauch‘ nur einer ins Auge zu schau’n – und schon isse hin…“ Bei aller Selbstironie: Sie waren oft hin von diesem quirligen Mann.
Das erste Mal war er vernarrt in die Kollegin Maria Bernheim (1897-1957), vier Jahre älter und über zehn Zentimeter größer als er. Er hatte sie bei der Arbeit an der Bayerischen Landesbühne kennengelernt. Hochzeit: 1924, Maria gab ihren Beruf auf und wurde seine „Privat-Regisseurin“, wie er gern kokettierte. Ein ruhiges, harmonisches Eheleben war offenbar nicht seins, zumal er oft in Berlin arbeitete, wo er in der 1930ern ein Verhältnis mit der Schauspielerin Leny Marenbach (1907-1984) begann.
Seine Ehe mit Maria Bernbach existierte in der NS-Zeit nur noch auf dem Papier, trotzdem wurde daraus ein Politikum. In seinen Memoiren „Das war’s“ schildert Rühmann: „Die Schriftleitung der Zeitschrift ‚Der SA-Mann‘ fragt an, wieso der Filmschauspieler Heinz Rühmann, der mit einer Jüdin verheiratet sein soll, immer noch in Deutschland filmen darf…“
Rühmann wendete sich an Hermann Göring, der ihm zur Scheidung riet. Seine jüdische Ex-Frau Maria sollte dann, so Göring, einen Ausländer heiraten, der ihr Schutz vor Verfolgung bieten würde. Diesen Mann fand Rühmann in dem schwedischen Schauspieler Rudolf von Hauckhoff, der dauerhaft in Deutschland lebte. 1938 wurde Rühmanns Ehe geschieden, Maria heiratete von Nauckhoff und konnte 1943 nach Schweden ausreisen und dem Holocaust entkommen. Ihr Ex-Mann hat sie weiterhin finanziell unterstützt.
1939 heiratete Heinz Rühmann die Wiener Schauspielerin Hertha Feiler (1916-1970), die er ein Jahr zuvor kennen und lieben gelernt hatte. Bei der Hochzeit war auch Maria Bernheim zu Gast. Hertha Feiler war nach den Nürnberger Rassegesetzen der Nazis als „Vierteljüdin“ eingestuft. Diesmal gab Goebbels persönlich dieser Ehe seinen Segen, so dass auch Hertha Feiler unbehelligt durch die NS-Zeit kam.
Nach dem Krebstod seiner zweiten Frau (1970) lernte der Schauspieler die Verlegerwitwe Hertha Droemer (1923-2016) kennen, die sich bei einem Alpenrundflug - Rühmann saß am Steuerknüppel - in ihn verliebte. Sie wurde 1974 seine dritte Ehefrau.
Das Paar lebte zurückgezogen bis zu seinem Tod am 3. Oktober 1994 in Aufkirchen am Starnberger See. In einem WDR-Interview schilderte Hertha Rühmann, wie sehr er den Halt in der Ehe suchte und brauchte: „Er war nicht gern allein. Ich habe mir nie erlaubt, auch nur eine Tasse Kaffee irgendwo zu trinken, weil ich wusste, dass er wartet und unglücklich ist.“