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Hans-Joachim Kulenkampff: Warum er der beste Showmaster war

Nicht Thomas Gottschalk, nicht Günther Jauch, sondern Hans-Joachim Kulenkampff. Für viele gilt er bis heute als der beste deutsche Showmaster aller Zeiten. Heute wäre er 100 Jahre alt geworden.

Wäre 100 geworden: Hans-Joachim Kulenkampff. © imago images / United Archives
Wäre 100 geworden: Hans-Joachim Kulenkampff. © imago images / United Archives

Früher war alles besser. Den Stoßseufzer der Schönfärber hätte einer wie Hans-Joachim Kulenkampff genüsslich gekontert, etwa so: „Je älter ich werde, umso besser war ich früher…“ Oh ja, das war er. Und je länger er nicht mehr unter uns weilt, je heller strahlt sein Stern, zumindest bei den uns verbliebenen TV-Größen.

Für einen Günther Jauch oder Harald Schmidt ist er ein „charmanter Mythos“, ein legendärer Entertainer, einer der ganz Großen der deutschen Fernsehunterhaltung. Für viele Junge ist der Name kaum noch geläufig. Hans-Joachim Kulenkampff ist schließlich seit fast 23 Jahren tot: Er war „der Kuli der Nation“. Und den gab es nur einmal. Am 27. April hätte er seinen 100. Geburtstag.

So fing alles an

Mit seiner ARD-Quiz-Sendung „Einer wird gewinnen“ (EWG) mit acht Kandidaten aus verschiedenen europäischen Ländern wurde Kulenkampff in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren zum unbestrittenen König der Samstagabend-Unterhaltung, mit traumhaften Einschaltquoten. Wenn seine Sendung einmal „nur“ 82 Prozent hatte, pflegte er zu sagen: „Wenn uns die Leute nicht mehr sehen wollen, dann hören wir eben auf.“

89 Folgen von „EWG“ hat Kulenkampff von 1964 an bis zum endgültigen Ende 1987 moderiert, außerdem stand er bis 1990 fast 2.000 Mal mit seinen „Nachtgedanken“ zum ARD-Sendeschluss vor der Kamera. Es folgten noch einige kleinere Formate, mit denen er allerdings nicht mehr an die großen Erfolge anknüpfen konnte.

Sein Leben abseits der Kamera

Er entstammt einer vermögenden Bremer Familie von Kaufleuten und Künstlern. Ein Großvater war Pianist und Musikprofessor, ein anderer Verwandter, Georg Kulenkampff, machte Karriere als einer der bekanntesten deutschen Geigenvirtuosen. Während sein älterer Bruder Helmut Arzt und später Professor für Anatomie am Uni-Klinikum des Saarlandes wurde, studierte Hans-Joachim Kulenkampff nach dem Abitur (1939) an der Schauspielschule des Deutschen Theaters Berlin.

1941 wurde er zum Militär eingezogen und kam zum Kriegseinsatz nach Russland, eine traumatische Erfahrung. 1947 sollte Kulenkampff Direktor des Bremer Theaters werden. Er schlug das Angebot aus, weil er sich mit 26 zu jung für diesen Posten fühlte – und ging nach Frankfurt an das Theater am Zoo (heute Fritz Rémond Theater). Mit diesem Wechsel zeigte er seinen unverstellten Charakter: Er wollte in Bremen nicht an einer Bühne bleiben, deren Chef er hätte sein können…

Eine Gattin sein ganzes Leben lang

In Frankfurt lernte er auch seine Ehefrau, die österreichische Schauspielerin und spätere Kinderbuchautorin Traudl Schwarz, kennen, von der er so begeistert war, dass er sie nach 14 Tagen Bekanntschaft am 11. Mai 1948 heiratete. Die Ehe (drei Kinder) hielt ein Leben lang.

Im Grunde wollte er „nur“ ein guter Schauspieler sein, einer der auf der Bühne große Hauptrollen spielt, wie den General Harras in „Des Teufels General“ von Carl Zuckmayer, einer der großen Theatererfolge Kulenkampffs. Doch der Bremer Kaufmannssohn musste seine Familie durchbringen – und verdingte sich nebenbei beim Hessischen Rundfunk, zunächst als Ansager im Hörfunk, später – weil er so charmant plaudern konnte – mit seiner ersten Fernsehshow „Wer gegen wen?“, die ihn auf Anhieb zum Publikumsliebling machte.

Seine steile Fernsehkarriere

Seine einzigartige Karriere würde heute nicht mehr funktionieren. Kulenkampff wäre für heutige Verhältnisse viel zu eigenständig und unangepasst, ständig hätte er die Gesetze der Political Correctness übertreten, nach denen ein Moderator weitestgehend als politisches und kulturelles Neutrum zu agieren hat. Doch auch schon damals sorgte er für reichlich Gerede.

Den ersten großen Skandal löste er 1959 aus, als er bei der Anmoderation von „Quiz ohne Titel“ sagte: „Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Bundesrepublik, in der DDR…“ Die großen Parteien standen Kopf, Kulenkampffs Begrüßung käme einer „Anerkennung des Unrechtsstaates in Mitteldeutschland“ gleich. So waren eben die Verhältnisse, was heute absurd klingt, war seinerzeit normal.

Immer Ärger mit der Union

Politischen Ärger mit den Unionsparteien handelte er sich auch mit seiner Sympathie für die SPD, vor allem für den SPD-Kanzler Willy Brandt ein. Großes Aufsehen erregte er mit seiner harschen Kritik an CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Später entschuldigte Kulenkampff sich bei Geißler.

Seine Spontanität, die große Stärke des begnadeten Entertainers Kulenkampff, war gleichzeitig auch seine Schwäche. „Der Charmeur“ und „Mozart des Plaudertons“, schrieb der „Spiegel“, „betrachtete ungeniert Uschis Beine“ (Show-Assistentin Uschi Siebert – die Red.). „Und dann kamen seine leicht anzüglichen Komplimente für das Outfit der Assistentin. Uschi, angezogen wie ein weibliches Pralinee, lächelte.“

Kleine Anzüglichkeiten zwischenrein

Diese kleinen Anzüglichkeiten gehörten zum Repertoire der Show, so dass die „taz“ 1992 ausrastete und bei „Kulenkrampff“ eine „schmierige Schlüpfrigkeit gepaart mit der Jovialität eines Autoverkäufers“ wahrnahm.

Das klang sechs Jahre später deutlich versöhnlicher. Kulenkampff war mit 77 in seiner österreichischen Wahlheimat an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Da schrieb die „taz“ in ihrem Nachruf, dass Kulenkampff sich auf ein Entertainment verstanden habe, „das für deutsche Verhältnisse sehr britisch daherkam: sarkastisch, manchmal beißend, hin und wieder politisch – im durchaus linken, damals vornehmlich sozialdemokratischen Sinne… Er kam immer so seriös, so soigniert distanziert wie höflich daher, dass niemand ihm am Zeug flicken konnte.“

Eigentlich war er ein trauriger Mensch, der Zeit seines Lebens die schlimmen Erlebnisse als Soldat in Russland (wo er sich vier erfrorene Zehen selbst amputiert hatte) und den Unfalltod seines vierjährigen Sohns Till nicht verwinden konnte. Und der wesentlich lieber als Schauspieler und nicht als TV-Star geglänzt hätte.

„Ich glaube, dass er Fernsehen nicht allzu ernst genommen hat“, sagt Harald Schmidt. Hans-Joachim Kulenkampff selbst sah das so: „Als wir angefangen haben mit dem Fernsehen, wollten wir ein Viersterne-Restaurant aufmachen – nun haben wir eine Kette von Imbissbuden.“

(ln/spot)