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Event-Veranstalter Sören Bauer: „Roter Teppich ist kein Auslaufmodell“

Der Veranstaltungsbranche leidet wie kaum eine andere unter den Corona-Einschränkungen. Auch der Branchentreff „Movie Meets Media“ in Berlin findet deutlich kleiner als bisher statt. Veranstalter Sören Bauer spricht über die Herausforderungen der Krise und wagt einen Ausblick auf die Zeit danach.

"Movie Meets Media"-Event noch ohne Abstand: Michel Guillaume
"Movie Meets Media"-Event noch ohne Abstand: Michel Guillaume

Kaum eine Branche leidet so unter der Corona-Pandemie wie die Veranstaltungsbranche. Viele Einrichtungen wie Clubs und Diskotheken sind seit dem ersten Lockdown im März 2020 dauerhaft geschlossen, Theater oder Opernhäuser spielen vor überwiegend leeren Rängen. Auch Messen und Branchenevents wurden entweder virtuell ausgestrahlt, verschoben, oder ganz abgesagt – darunter auch der Branchentreff der deutschen Film- und Medienbranche, „Movie Meets Media“. Im Interview mit spot on news erklärt Veranstalter Sören Bauer, wie er sich auf das erste größere Event nach der Zwangspause vorbereitet hat und wie er die Zukunft der Veranstaltungsbranche sieht.

Herr Bauer, nach Monaten pandemiebedingter Pause feiern Sie am 27. August mit „Movie Meets Media“ in Berlin wieder ein Event mit mehr als 100 Gästen. Sind Sie aufgeregt?

Sören Bauer: Nein, da wir während des Sommers schon das eine oder andere Event in Hamburg gemacht haben, darunter unseren Wirtschaftsgipfel Eurominds mit 200 Gästen, bin ich recht entspannt. Insbesondere da wir vor der Pandemie im Schnitt 700 Gäste bei „Movie Meets Media“ hatten und nun sind es nur ca. 100 Gäste. Insoweit ist es mehr eine Vorfreude als Aufregung.

Lachen, trinken, bussi, bussi – während rund ein Viertel der Deutschen noch im Homeoffice sitzt. Wie sicher ist das Ganze?

Sören: Genauso sicher wie das Homeoffice. Neben der Tatsache, dass wir alle derzeitigen Gesetze einhalten und jeder Gast geimpft, genesen oder getestet sein muss (dank einer eigenen Teststation vor Ort) haben wir ein umfangreiches Sicherheitskonzept und planen, das Ganze – bei schönem Wetter – komplett outdoor zu veranstalten. Und fürs Protokoll: Es gibt nur eines im Leben, das zu 100 % sicher ist: dass wir sterben. Bei allem anderen müssen wir mit Risiken leben, schließlich kann auch bei der Anreise mit dem Auto zum Event viel passieren.

Dürfen auch Ungeimpfte kommen?

Bauer: Wie schon gesagt haben wir vor Ort ein eigenes Testzentrum, also dürfen natürlich auch Ungeimpfte kommen. Insgesamt finde ich, dass die Impfdiskussion inzwischen seltsame Züge annimmt. Jeden Tag nehmen wir Dinge zu uns, bei denen wir nicht genau wissen, was wirklich darin steckt, und hatten in Deutschland meines Wissens schon mehrmals Impfpflichten (z. B. Pocken und Masern), die sicherlich viel Gutes bewirkt haben. Allerdings verstehe ich auch Menschen, die nach 18 Monaten Dauerbeschallung mit Todesangst nun auch Angst vor einer Impfung haben. Insoweit meine ich persönlich, dass wir mit den entsprechenden Maßnahmen keinen ausschließen sollten – sofern niemand absichtlich anderen schadet.

Haben Sie Absagen von Prominenten, die sich nicht trauen, zu kommen?

Bauer: Ich glaube nicht. Allerdings gibt gefühlt niemand mehr den wirklichen Absagegrund an, um nicht angreifbar zu sein und möglichen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Wir haben aber sowieso aufgrund der teilweise doch kurzfristigen Gesetzesänderungen, wie viele Gäste zu einem Event kommen dürfen, unser gesamtes Teilnahme-Management umgestellt. Die potenziellen Gäste können über unser Gäste-Management-System FaceClub ihre Teilnahme am Event „anfragen“ und bekommen erst ca. 7 Tage vor dem Event eine Rückmeldung, ob sie dabei sein können oder nicht. Dafür haben in der derzeitigen Situation auch alle Verständnis. Dadurch müssen wir niemanden ausladen und es melden sich nur die Personen an, die wirklich Zeit und Lust haben, zum Event zu kommen. Nebenbei haben wir damit auch die erforderliche digitale Nachverfolgung aller Gäste und die Gäste sehen die komplette Gästeliste und wissen, wer und was Sie erwartet.

Einige bekannte Persönlichkeiten bestreiten mit dem Besuch von Events ihren Lebensunterhalt. Kennen Sie Stars, die durch die Pandemie verarmt sind?

Bauer: Vermutlich haben die Persönlichkeiten, die Ihren Lebensunterhalt mit dem Besuch von Events bestreiten, noch am wenigsten auszustehen, denn Trash- und Reality-Shows werden ja weiter produziert und brauchen ständig „Frischfleisch“. Ich muss jedoch klarstellen, dass ich zu wenig Menschen aus diesem Bereich kenne, um das zu beurteilen. Ich glaube jedoch, dass einige Persönlichkeiten durch die Pandemie verarmt sind, aber das liegt nicht nur an fehlenden Events, sondern daran, dass auch Konzerte, Theater und sonstige künstlerische Aktivitäten verboten oder stark eingeschränkt sind. Auch Filmproduktionen wurden massiv heruntergefahren. Insoweit leiden natürlich alle Promis, Personen des öffentlichen Lebens und Künstler sehr unter der Pandemie. Auch wenn sich viele darüber keine Gedanken machen: Das Ganze hat natürlich noch ganz andere Auswirkungen, an die kaum jemand denkt. Nehmen Sie zum Beispiel mal Reinigungen, denn durch den Wegfall der Veranstaltungen und der Einführung des Homeoffice trägt kaum noch jemand Abendkleider oder Anzüge.

Sie haben auch digitale Events veranstaltet. Gleichwertiger Ersatz oder müder Abklatsch?

Bauer: Ich glaube, das kann man nicht vergleichen. Einige Events, wie unsere Speakers-Night und Wirtschafts-Talks, lassen sich gut ins Digitale übertragen. Networking-Events wie „Movie meets Media“ gehen nur als Präsenz-Event und lassen sich nicht übertragen. Generell würde ich persönlich es so sehen: Sex ist am besten mit einer/m Partner:in, aber wenn es nicht geht, kann auch Telefonsex befriedigend sein. Es gibt aber genügend Menschen, die keinen Telefonsex wollen. So ist es auch bei Digital-Events.

Manch ein Star hat vielleicht festgestellt, dass es auch ohne Partys gut laufen kann. Ist der rote Teppich ein Auslaufmodell?

Bauer: Das ist tatsächlich eine Frage, die ich mir manchmal selbst auch stelle. Wahrscheinlich macht es, wie immer im Leben, der Mix. Es gab vor der Pandemie sehr viele Events, bei denen der rote Teppich das Wertvollste an der ganzen Veranstaltung war – und man sich später gedacht hat: „Das hätte ich mir sparen können“. Auf der anderen Seite sind wir soziale Wesen und brauchen den Kontakt zu anderen Menschen. Denn neben den Fotos auf den roten Teppichen haben Events ja noch eine viel wichtigere Aufgabe: Events bringen Menschen zusammen. Hier entstehen Partnerschaften, werden neue Kontakte und Freundschaften geknüpft und natürlich auch Geschäfte gemacht. Das Wichtigste jedoch: Es bringt einfach Spaß! Und nachdem wir nun 18 Monate keinen „Spaß“ haben durften, ist das Bedürfnis sicherlich hoch. Also mein Fazit: Nein, der rote Teppich ist kein Auslaufmodell!

Was sind die drei wichtigsten Zutaten für ein Promi-Event?

Bauer: Natürlich stehen an erster Stelle die Promis. Die wichtigste Frage ist deswegen sicherlich: Warum sollte ein Promi auf ein Event kommen? Das kann eine tolle Atmosphäre zum Beispiel durch die Location sein, ein ansprechendes Programm oder das entsprechende Drumherum wie gutes Catering. Entweder man hat in der Branche einen guten Namen, wodurch die Celebrities wissen, dass sie ein gutes Event erwarten dürfen – oder man beauftragt einfach uns damit (lacht).

Ihre Prognose: Wann werden wir wieder ausgelassen feiern können?

Bauer: Das ist schwer zu sagen. Meine Einschätzung ist: Bis Mitte Oktober können wir noch einigermaßen Event-Freiheiten genießen und ab 01.11.2021 kommt ein erneuter Lockdown , zumindest für Veranstaltungen, der bis Anfang 2022 dauert. Dann entspannt sich die Lage wieder etwas und ab Ostern 2022 geht es langsam wieder mit Events los. Mit Blick auf die Geschichte hat zum Beispiel die „Spanische Grippe“ genau zwei Jahre gedauert. Wenn sowas der Maßstab ist, dürfte sich Covid-19 im Frühjahr 2022 dem Ende nähern. Die wichtigere Frage wäre aber: Ab wann ist der Großteil der Menschen wieder dazu bereit zu feiern – ohne Panik-Attacke, sobald sich jemand nähert? Ich spreche da natürlich nicht von den Teens und Twens, die jetzt schon – im Zweifel heimlich – feiern, sondern von Menschen über 30, denen dann zwei Jahre eingetrichtert wurde, dass Feiern und Spaß lebensgefährlich sind. Also wäre meine Prognose: Wir feiern erst wieder völlig ausgelassen ein Jahr nachdem Covid-19 offiziell kein Problem mehr ist!

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