Umweltbewusstes Handeln ist nicht nur beim täglichen Einkaufen gefragt, sondern auch beim Reisen. Laut der Welttourismusorganisation UNWTO fallen rund fünf Prozent der globalen CO2-Emission auf den Tourismus. Deshalb ist es wichtig, bei der Urlaubsplanung seinen ökologischen Fußabdruck im Blick zu haben. Wie man umweltfreundlich reisen kann, wissen Giulia Fontana und Lorenz Keyßer, Autoren des Buches „Ohne Flugzeug um die Welt: Klimabewusst unterwegs und glücklich“. Worauf Urlauber bei der Planung und während des Trips achten sollten, verraten die beiden im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
Was sind die besten Tipps, um seinen Urlaub umweltfreundlicher zu gestalten?
Giulia Fontana und Lorenz Keyßer: Langsames Reisen! Langsam zu reisen heißt, letzten Endes auch seltener weit wegzufahren und häufiger in der näheren Umgebung. Daher würden wir empfehlen, einfach Europa oder Deutschland via Zug, Fahrrad oder zu Fuß unsicher zu machen – zu entdecken gibt es genug. Vor allem das flugfreie Reisen ist sehr wichtig, um den Urlaub umweltfreundlich zu gestalten. Denn Fliegen, besonders über lange Strecken, stößt sehr viel CO2 aus und trägt somit direkt dazu bei, die Klimakrise zu verschärfen. Ebenso verhält es sich mit Kreuzfahrten. Um das dadurch entstehende massive Leid zu mindern, müssen wir unsere CO2-Emissionen schnell auf nahe Null bringen. Fliegen ist eine der CO2-intensivsten Tätigkeiten, die ein Individuum machen kann und wird global nur von einer kleinen, privilegierten Minderheit ausgeübt. Neben den eigenen Anteil an dieser Krise zu minimieren, sollten wir aber gleichzeitig zu einem tiefgreifenden Kultur- und Systemwandel beitragen. Beispielsweise durch Engagement in sozialen Bewegungen wie „Fridays for Future“. Bei sich selbst anzufangen, ist schon mal ein guter Start, aber natürlich braucht es noch sehr viel mehr.
Was sind die größten Fehler, die einem passieren können?
Fontana und Keyßer: Unserer Meinung nach ist es ein großer Fehler zu denken, dass wir mit individuellen Verhaltensänderungen Krisen wie den Klima- oder Biodiversitätskollaps lösen können. Auf unserer Weltreise mussten wir feststellen, dass einem enorm viele Hürden in den Weg gelegt werden. Es gibt sehr viele Barrieren für Einzelpersonen sich umweltfreundlich zu verhalten. Auf unserer Reise waren das unter anderem hohe Kosten, wenig Informationen und ein hoher Zeitaufwand. Wir denken aber auch an Werbebudgets in Milliardenhöhe, Auto-fokussierte Verkehrsinfrastruktur, eingebaute Schwachstellen in Produkten, fehlende demokratische Mitbestimmung in Firmen und eine sehr hohe Arbeitslast. Letztere ist ein wichtiger Punkt, da nachhaltigeres Handeln häufig zeitintensiver ist. Solche Barrieren zeigen uns, dass es wichtig ist, sich nicht allzu sehr auf individuelle Verhaltensänderungen zu versteifen, obwohl die natürlich auch wichtig sind. Man sollte zusätzlich die strukturellen und auch machtbasierten Faktoren stärker in den Blick nehmen und angehen.
Gibt es etwas, was man bereits bei der Planung des Urlaubs beachten sollte?
Fontana und Keyßer: Wenn man eine Reise plant, sollte man sich aktiv fragen, was man nun wirklich möchte und braucht. Oftmals sind diese Bedürfnisse auf verschiedenen Wegen zu erreichen, die einen sind umweltfreundlicher als die anderen. Ein großer Wunsch vieler ist zum Beispiel ans Meer zu fahren. Muss man dafür nach Thailand fliegen oder reicht auch die Ostsee?
Welche Art von Unterkunft ist am umweltfreundlichsten?
Fontana und Keyßer: Wir haben auf unseren Reisen Unterkünfte ausgesucht, bei denen verschiedene Infrastrukturen wie zum Beispiel die Küche, Aufenthaltsraum oder Bad geteilt werden. Während einer Pandemie sind das natürlich eher Räume, bei denen man ein klares Sicherheitskonzept haben muss. Jugendherbergen sind also generell gut geeignet, wobei in Covid-Zeiten sicherlich Vorsicht geboten ist. Ansonsten kann man noch darauf achten, falls die Informationen vorhanden sind, woher der Strom bezogen wird und welches Essen bereitgestellt wird. Erneuerbare Energien und vegetarisch oder veganes Essen wären hier vorzuziehen.
Eine Flugreise ist nicht gut fürs Klima – aber was, wenn es sich nicht vermeiden lässt? Worauf sollte man beim Flüge buchen achten?
Fontana und Keyßer: Zuerst kann man sich fragen, ob es denn wirklich nicht anders geht. Beziehungsweise ob man das, was man sich vom Zielort erhofft, nicht auch woanders realisiert werden kann – eventuell sogar mit weniger Stress und Kosten. Wenn es sich wirklich nicht vermeiden lässt, beispielsweise bei einem Notfall oder körperlichen Einschränkungen, kann man darauf achten, die Flugstrecke möglichst zu reduzieren. Schließlich fallen die meisten Emissionen bei Langstreckenflügen an. Zudem kann man versuchen, den Aufenthalt im fernen Ort möglichst lange auszukosten. Nach dem Motto: länger dafür selten. CO2-Kompensationen empfehlen wir generell nicht als Ausgleich zu den Emissionen, da die Klimawirkung sehr unsicher ist und sie somit eher zur Gewissensberuhigung dienen.
Was kann man vor Ort im Urlaub beachten, um der Umwelt nicht zu schaden?
Fontana und Keyßer: Da gibt es sicherlich viele Dinge. Ernährung und Transport sind große Themen: möglichst wenig öffentlicher Transport, Fahrrad nehmen, zu Fuß gehen, sich möglichst pflanzenbasiert ernähren und lokale Zutaten bevorzugen. In Nationalparks oder Ähnlichem sollte man sich an die lokalen Regeln halten, um die Tier- und Pflanzenwelt möglichst zu schützen. Ansonsten kann man noch bei lokalen Umweltbewegungen, zum Beispiel bei Demos, vorbeischauen und sich Inspirationen für eigenes Engagement holen.
Ist in der Heimat zu bleiben die einzige Möglichkeit, wirklich umweltfreundlich Urlaub zu machen?
Fontana und Keyßer: Wenn man nur wenig Zeit hat, stimmt das sicherlich. Da man schlicht nicht weit wegkommt, ohne auf emissionsintensive Transportmittel zu setzen. Aber bereits bei ein bis zwei Wochen Urlaub kann man innerhalb Europas mit dem Zug schon sehr weit kommen. Das Glück liegt häufig gleich um die Ecke. Alternativ kann man versuchen, sich mehr Zeit am Stück freizunehmen, um dann weiter wegzufahren. Hierfür bräuchte es aber sicherlich zum Teil weitgehende Politikreformen – wie zum Beispiel eine Arbeitszeitverkürzung.