Queen Elizabeth II. (95) sitzt seit 70 Jahren auf dem Thron. Am Sonntag (6. Februar) feiert sie das Platin-Thronjubiläum. Doch so beeindruckend diese Zahl auch ist, vor allem die junge britische Bevölkerung hat derzeit wachsende Zweifel an der Monarchie. Allzu große Sorgen bereitet das Royal-Expertin Julia Melchior allerdings noch nicht, denn sie weiß aus der Historie, dass die Popularität der Königin und des Königshauses schon immer „in Wellenbewegungen“ verlief. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news fasst Melchior, deren neuer TV-Film über königliche „Powerpaare“ (Arte/ZDF) im Juni ausgestrahlt wird, die Höhepunkte und die Tiefpunkte der 70-jährigen royalen Regentschaft zusammen.
70 Jahre Regentschaft von Königin Elizabeth II. Was waren die Highlights und die Tiefpunkte ihrer bisherigen Regierungszeit?
Julia Melchior: Das Jahr 2012, in dem Elizabeth II. auch ihr Diamantenes Thronjubiläum gefeiert hat, war der Höhepunkt der Popularität ihrer Regentschaft. Bisher verlief ihre Beliebtheit und die des Königshauses in Wellenbewegungen.
In der ersten Dekade ihrer Regentschaft in den 1950er Jahren musste sie sich als Monarchin erstmal etablieren. Aber dieses junge glamouröse Paar, Elizabeth und Philip, wurde von den Menschen angebetet. In den 1960er Jahren hat sich die britische Gesellschaft geändert. Sie wurde liberaler, kritischer und die Königin teilweise sogar ausgebuht. Dann kamen aber erst noch diese schwierigen 1970er Jahre, in denen London geprägt war von schweren sozialen Unruhen, wechselnden Regierungen, Streiks und Protesten. Damals wurde das ganze Establishment infrage gestellt und die Monarchie war gebeutelt von Skandalen, vor allem um Elizabeths Schwester, Prinzessin Margaret.
In den 1980er kam dann aber eine Wende zum Positiven, oder?
Melchior: Das stimmt, in den 1980er Jahre kam mit der Märchenhochzeit von Prinz Charles und Lady Diana Spencer der Aufschwung. Und Prinz Andrew, der als Hubschrauberpilot im Falklandkrieg Überlebende von brennenden Kriegsschiffen gerettet hat, kehrte als gefeierter Kriegsheld zurück. In dieser Zeit wurde die Bande der Bevölkerung zum Königshaus wieder enger. Doch dann kamen die 1990er Jahre. Erst ließen sich drei der vier Kinder von Elizabeth und Philip scheiden und dann starb Prinzessin Diana. Das war die Stunde null. Die britische Königsfamilie musste um ihre Daseinsberechtigung kämpfen.
Wann änderte sich das wieder?
Melchior: Erst gegen Mitte der 00er Jahre hatte die Bevölkerung wieder ihren Frieden mit den Royals gemacht. Mit der Zeit haben die Menschen sich wieder neu verliebt in diese Königsfamilie. Elizabeth und Philip waren zu Kultfiguren und Ikonen von Würde, Anstand und Beständigkeit geworden. Die Jungs, William und Harry, entwickelten sich prächtig und sorgten für Gesprächsstoff. Die Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton 2011 hat die britische Bevölkerung bewegt. Ein Jahr später dann das 60. Thronjubiläum. Die Monarchie wurde getragen von einer Welle der Sympathie, beliebt bei allen Altersgruppen und durch alle Bevölkerungsschichten.
Wer hätte gedacht, dass sich das zehn Jahre später nochmal ändert? Vor allem die junge Bevölkerung hat derzeit wachsende Zweifel an der Monarchie. Bei den 18- bis 24-Jährigen sind aktuell nur noch 30 Prozent für deren Fortbestand…
Würden Sie es als Schritt in die richtige Richtung bezeichnen, dass die Queen gegenüber dem in einen Missbrauchsskandal verwickelten Prinz Andrew Konsequenzen gezogen hat?
Melchior: Zweifellos. Sie hätte es aber früher machen sollen. Überhaupt hätten in den letzten Jahren ein paar Reformen im Königshaus eingeleitet werden können, um eine Nebenfigur wie Prinz Andrew schon früher von seinen königlichen Pflichten zu entbinden. Denn er hat dem Ansehen des Hauses ja nicht zum ersten Mal geschadet. Die schlagzeilenträchtige Scheidung von seiner Frau Fergie, wechselnde Frauenbekanntschaften, kostspielige Dienstreisen. Wiederholt hatte er sich mit prominenten Gestalten umgeben, die ihm Geld und Annehmlichkeiten verschafften, um seine Apanage aufzubessern.
Wie sieht es in anderen europäischen Königshäusern mit solchen Reformen aus?
Melchior: In den anderen europäischen Königshäusern gibt es die Tendenz, diese zu verschlanken, sodass nur noch die direkte Linie eine offizielle Rolle spielt. Die Zweit- und Drittgeborenen haben keine Pflichten mehr – und auch keine Privilegien. Dieser Schritt muss im britischen Königshaus auch gemacht werden. Bei Prinz Andrew wurde er vollzogen. Ein Mitglied der Familie bleibt er ja trotzdem, nur, dass er jetzt für sich selbst verantwortlich ist, ob für seinen Lebensunterhalt oder vor der Justiz. Bis zuletzt war er aber noch eine königliche Hoheit, hatte viele Titel und war Schirmherr zahlreicher königlicher Einrichtungen.
Bei Prinz Harry und Herzogin Meghan war die Königin dagegen sehr schnell sehr konsequent…
Melchior: Im Fall von Prinz Harry und Herzogin Meghan sieht man eigentlich sehr gut, dass in der Queen zwei Herzen schlagen: das Staatsoberhaupt und der Mensch. Als Staatsoberhaupt hat sie doch mit sehr viel Härte bei den beiden die Konsequenzen gezogen. Da war sie die strenge Königin. Sie hat aber auch in jedem Statement gesagt, dass Harry und Meghan stets geliebte Mitglieder der Königsfamilie bleiben werden. So pflichtbewusst und diszipliniert die Queen ist, und so sehr sie ihr Amt immer in den Vordergrund ihres Handelns stellt, ist sie doch auch ein Mensch und eine liebende Großmutter, die immer die Hand reicht.