„Die Beziehung zwischen Arbeitgebendem und Arbeitnehmenden sollte immer höchst professionell gehalten werden und sich auf das Nötigste beschränken.“
„Dein Beruf sollte deine Berufung sein. Immerhin verbringst du hier ganze acht Stunden am Tag. Eine persönliche Bindung zum Job aufzubauen, ist total normal.“
Diese beiden extremen Meinungen und viele Abstufungen dieser sieht man immer wieder im Arbeitsleben. Jede dieser Meinungen hat ihre Berechtigung. Sie haben jedoch eines gemeinsam: Jeder Mensch erwartet ganz bestimmte Dinge von einem Arbeitgebenden. Und andersherum genauso. Das nennt man den psychologischen Vertrag.
Wir zeigen, was dein Arbeitgebender wahrscheinlich von dir erwartet und was du erwarten kannst.
Der psychologische Vertrag: Das solltest du wissen
Der Arbeitsvertrag vs. der psychologische Vertrag
Ein neuer Job wird mit einer Unterschrift auf dem neuen Arbeitsvertrag besiegelt. Mit einem solchen Vertrag verpflichten sich Arbeitnehmende und Arbeitgebende dazu, die Rahmenbedingungen dieses Vertrages für die Dauer des Vertrages zu erfüllen. Sollte man sie nicht erfüllen, können Strafen drohen und es können sogar Klagen hageln.
Deine Unterschrift aber nicht alles, was dich an deinen Job und den Arbeitgebenden bindet: Dein offizieller Arbeitsvertrag ist nur die eine Seite der Medaille. Wichtig sind nämlich auch die Versprechungen, die du außerhalb deines Arbeitsvertrages machst.
Expert:innen sagen, dass jeder Arbeitnehmende beim Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages gleich zwei Verträge eingeht. Da ist auf der einen Seite der auf Papier festgehaltene Vertrag, der dir dein Gehalt einbringt und deine Arbeitszeiten regelt. Auf der anderen Seite steht ein zweiter Vertrag, der sogenannte psychologische Vertrag.
Der psychologische Vertrag
Der psychologische Vertrag erklärt nicht, WAS du bei der Arbeit tust, sondern WIE du es tust. Hier gehst du bestimmte Erwartungen und Verpflichtungen zwischen dir und dem Unternehmen ein. Diese sind aber immer subjektiv.
Die Wissenschaft erklärt den psychologischen Vertrag als das „psychologische Pendant“ zum eigentlichen Arbeitsvertrag. Anders als beim Arbeitsvertrag sind sich Arbeitgebender und Arbeitnehmender oft nicht einig über die Bedingungen des psychologischen Vertrages und sie können weit voneinander abweichen. Die Inhalte sind hier beispielsweise:
- Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung
- Arbeitsbedingungen
- Verantwortungskompetenzen
- Arbeitsbelastung
- Verhältnis zur vorgesetzten Person
- Verhältnis zu Kolleg:innen
Außerhalb des psychologischen Vertrages
Nicht alles muss im Arbeitsvertrag stehen, um es als Arbeitnehmender einfordern zu dürfen. Gehe davon aus, dass du als angestellte Person zwar viele Pflichten, aber gleichzeitig auch viele Rechte hast. Diese Dinge stehen meist nicht im Arbeitsvertrag, stehen Arbeitnehmenden aber sehr wohl zu:
- Freie Meinungsäußerung (ohne andere zu beleidigen)
- Gleichbehandlung
- Einsicht in Personalakte
- Urlaub, Elternzeit und auf ungestörte Freizeit
- Pausen ohne Arbeitsstress
- Arbeitszeugnis nach Kündigung
- Fürsorgepflicht durch Arbeitgeber
- Kündigungsschutz (bei bestandener Probezeit)
- Mitbestimmung innerhalb des Unternehmens
Der psychologische Vertrag als Eisberg
Der psychologische Vertrag wird gerne metaphorisch mit einem Eisberg verglichen. Bei einem Eisberg ist nur die Spitze sichtbar, während sich sehr viel mehr Masse unter der Oberfläche befindet.
Der sichtbare Teil (der Arbeitsvertrag) wird zwischen beiden Parteien klar kommuniziert. Der unsichtbare Teil (der psychologische Vertrag) ist gewaltig, jedoch bleibt er immer im Verborgenen.
Der Eisberg wächst
Je nachdem, wie lange und wie intensiv das Arbeitsverhältnis beibehalten wird, desto größer kann der Eisberg bzw. der psychologische Vertrag werden. Ist ein Arbeitnehmender schon länger in einer Firma tätig, werden natürlich auch die subjektiven Erwartungen wachsen. Je nach Arbeitsklima können sich so ganz neue Erwartungen bilden, die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht da waren.
Ein Beispiel:
Wenn ein:e mitarbeitende Person sich gleich nach Beginn der Anstellung vollkommen verausgabt, immer 200 % gibt, keine Pause und keinen Feierabend macht, dann wird das sehr bald vom Arbeitgebenden als die Norm akzeptiert.
Somit wächst der psychologische Vertrag: Die Ansprüche des Arbeitgebenden schrauben sich ins Unermessliche, denn der Mitarbeitende scheint ja ohnehin immer ansprechbar zu sein.
Gleichzeitig wachsen die Ansprüche des Arbeitnehmenden an den Arbeitgebenden. Der Arbeitnehmende will, dass seine harte Arbeit wertgeschätzt und gewürdigt wird. Sollte dies nicht im ausreichenden Maß der Fall sein, wird er sehr schnell unzufrieden.
Psychologischer Vertrag aufseiten des Arbeitgebenden
Der Klett-Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kompetenzen, die an einen Arbeitnehmenden üblicherweise herangetragen werden, auszuloten. Diese Erwartungen stehen meist in einem psychologischen Vertrag aufseiten des Arbeitgebenden:
- Selbstkompetenz, dazu gehören:
- Verantwortungsbewusstsein
- Lern- und Leistungsbereitschaft
- Zuverlässigkeit
- Selbstständigkeit
- Kreativität
- Sozialkompetenz, dazu gehören:
- Konfliktfähigkeit
- Teamfähigkeit
- Kommunikationsfähigkeit (schriftlich und mündlich)
- Interkulturelle Kompetenz
- Umgangsformen
- Methodenkompetenz, dazu gehören:
- Informationsbeschaffung
- Lern und Arbeitstechniken
- Anwendung des Computers
- Anwendung mathematischer Verfahren
Psychologischer Vertrag aufseiten des Arbeitnehmenden
Auf der anderen Seite bringen die Arbeitnehmenden typischerweise ebenfalls einige Erwartungen an das Unternehmen mit. Dafür hat gruender.de eine Studie unter 30.000 Führungs- und Fachkräften veröffentlicht. Die fünf wichtigsten Anforderungen an den Arbeitgebenden, die nicht in einem Arbeitsvertrag festgehalten sind, lauten wie folgt:
- Gute Arbeitsatmosphäre und angenehmes Betriebsklima
- Betriebsinterne Aufstiegsmöglichkeiten
- Harmonische Teamarbeit
- Abarbeiten anspruchsvoller Aufgaben
- Familienfreundliches Unternehmen
Hinzu kommen einige persönliche Ansprüche. Vor allem die jüngeren Generationen Y und Z haben sehr hohe Ansprüche an ihren Arbeitgebenden.
- Gute Führung
- Selbstverwirklichung
- Ein „Warum“
Fazit: Erwartungen verbinden für den psychologischen Vertrag
Der psychologische Vertrag kann sehr toxisch werden, wenn er auf einer der beiden Seiten nicht erfüllt werden kann. Sollte ein Arbeitnehmender immer mehr erwarten, als er oder sie bekommt, dann kommt es schnell zu Unzufriedenheit.
Für Arbeitnehmende kann der psychologische Vertrag besonders dann sehr schwer auf dem Herzen liegen, wenn sie das Gefühl haben, alle Erwartungen zu übererfüllen, während das bei den zuständigen Vorgesetzten nicht genug wahrgenommen wird. So kann es schnell zu Unmut und einer schlechten Arbeitsmoral kommen.
Wer sollte sich mit dem psychologischen Vertrag beschäftigen?
Gerade junge Führungskräfte und junge Arbeitnehmende sollten den Unterschied zwischen dem Arbeitsvertrag und psychologischen Vertrag kennen. Dieser Vertrag kann dazu führen oder, dass du dich vollkommen unter Druck setzen lässt. Er kann dir aber auch dabei helfen, dich wieder zu motivieren oder dich mit deinem Job noch mehr zu identifizieren. Wichtig ist dabei, dass du mit deinem Arbeitgebenden offen und ehrlich umgehst.
Besprich deine Erwartungen an den Arbeitgebenden also, wenn möglich, direkt. Lass die Erwartungen und die Unzufriedenheit nicht zu groß werden. Es kann sehr schwer werden, da wieder herauszukommen.
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