Britta Wiebe ist die Co-Gründerin der Plattform Vulvani. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Menstruation aufzuklären. Bei wmn küren wir jede Woche eine starke und inspirierende Frau zu unserer wöchentlichen Heldin. Diese Frauen empowern uns und reißen uns mit ihren starken Aussagen mit. Darüber, wie Free Bleeding funktioniert und was Zyklusbewusstsein wirklich bedeutet, haben wir mit Britta gesprochen.
Britta Wiebe kurz und knapp:
- Britta Wiebe ist laut eigenen Angaben eine aufgeklärte cis-Frau
- Sie wünscht sich, dass Vulvani ein Beispiel dafür wird, wie die Aufklärung rund um den weiblichen Körper positiv, nachhaltig und ehrlich gestaltet werden kann.
- Mit Vulvani möchte Britta Menschen an die Hand nehmen und sie dazu ermutigen, sich intensiv und bewusst mit den eigenen Körpern auseinanderzusetzen, um gemeinsam den Kreislauf der Tabus zu brechen.
Info: Das ist Vulvani
Vulvani, 2021 von Britta Wiebe und Jamin Mahmood in Hamburg gegründet, ist der weltweit erste digitale Bildungsmarktplatz rund um Menstruation, Zyklusgesundheit und Sexualität. Vulvani entwickelt aus unangenehmen Themen ein digitales Bildungsprodukt, das in der Benutzung Spaß macht. Mithilfe von interaktiven Online-Kursen und einem Online-Magazin werden unkompliziert Wissenslücken über den menstruierenden Körper geschlossen.
Britta Wiebe im Interview: „Ich war nicht die Einzige im Freundeskreis, die die halbe Welt bereist hat, aber den eigenen Körper noch gar nicht gut kannte.“
Wmn: Wie kam es zur Gründung von Vulvani?
Britta Wiebe: Die Gründung ist aus persönlichen Gründen entstanden. Ich habe mit Mitte 20 zum ersten Mal von Free Bleeding gehört, hab mich dann erst mal angefangen, mich über meinen eigenen Körper zu informieren: über Verhütung ohne Hormone, die Funktion des Zyklus und alles rundum den weiblichen Körper. Auch in Gesprächen mit meinem Umfeld habe ich gemerkt: Ich bin nicht die Einzige, die die halbe Welt bereist hat, aber den eigenen Körper gar nicht so gut kennt.
Zyklusbewusstsein: Das steckt dahinter
Wmn: Was ist Zyklusbewusstsein eigentlich?
Britta Wiebe: Zyklusbewusstsein oder Zyklusachtsamkeit ist die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Menstruationszyklus. Dadurch auch die bewusste Auseinandersetzung mit uns selbst. Denn bei einem Zyklus durchlaufen wir jeden Monat verschiedene Phasen und im Körper verändert sich etwas. Das hat Auswirkungen auf unsere Kreativität, unser Energielevel, unser Bedürfnis nach dem Sozial-Sein. Unser Zyklus hat also Auswirkungen auf unser Privat- und auch Arbeitsleben. Zyklusbewusstsein ist eine Methode, sich den Veränderungen anzunehmen und zu schauen, wie ich mein Leben angenehmer gestalten kann.
Zyklusbewusstsein, funktioniert wie jede andere Achtsamkeitsübung.
Britta Wiebe
Wenn ich meinen Zyklus kennenlernen möchte, kann ich als ersten Schritt einfach mal aufschreiben, wann ich jeden Monat meine Menstruation bekomme, um zu schauen, wie lange der Zyklus dauert. Im nächsten Schritt kann man sich jeden Tag ein paar Fragen stellen, immer bezogen auf den Zyklustag. Das könnte zum Beispiel sein: “Wie geht es mir heute? Was fällt mir heute leicht oder schwer?” Einfach einen kleinen Check-In mit uns selbst.
Nach ein paar Zyklen kann man dann nach Mustern schauen. Vielleicht habe ich an Zyklustag 16 immer Lust, Sport zu machen und an Tag 19 nervt mich immer die Arbeitskollegin. Im nächsten Schritt kann man schauen, wie man das im Alltag anwenden kann, um meine Tage besser zu gestalten. Die Methode ist noch neu, allerdings funktioniert sie wie jede andere Achtsamkeitsübung auch.
Klartext: Free Bleeding oder nicht?
Wmn: Wie bist du zum Free Bleeding gekommen?
Britta Wiebe: Eine gute Freundin erzählte mir davon. Wir haben zu dem Zeitpunkt zusammen in Mexiko gewohnt. Ich war im Ausland manchmal nicht mit dem Angebot der Perioden-Produkte zufrieden. Ich habe mir immer meine Lieblings-Tampons aus Deutschland mitgenommen, das war natürlich sehr umständlich. Dann habe angefangen, meine Gewohnheiten zu hinterfragen.
Info: Was ist Free Bleeding?
Freie Menstruation (Free Bleeding) basiert darauf, das Blut gezielt in die Toilette abzulassen. Es ist nicht möglich, das Blut zurückzuhalten. Bei manchen Bewegungen des Körpers fließt das Blut ungewollt ab: Wenn du in die Hocke gehst, erhöht sich der Druck auf die Gebärmutter.
Am Anfang war es ganz viel mentale Arbeit. Ich konnte es mir natürlich am Anfang schwer vorstellen, da ich sehr eingeschränkt war mit meinen Erfahrungen. Auf der einen Seite dachte ich: „Das ist doch verrückt,“ aber auf der anderen Seite: „Wenn meine Freundin das kann, kann ich es auch!“
Am Anfang habe ich noch Binden als Back-Up benutzt. Das Schwierigste war, ein Wohlgefühl zu bekommen, weil man ja von der Gesellschaft suggeriert bekommt: So etwas geht nur mit Perioden-Produkten. Jetzt ist das Free Bleeding für mich die angenehmste Art, meine Menstruation zu gestalten.
„Wenn ich hinfalle und blute, findet das ja auch niemand schlimm.“
Wenn ich hinfalle und blute, findet das niemand schlimm, Flecken von der Menstruation schon. Das kommt ganz viel durch das Marketing und Werbung. Die Frauen in der Werbung tragen weiße Kleidung, was ja mit Reinheit oder sauber sein suggeriert wird und das “Blut” wird als blaue Flüssigkeit dargestellt.
Das natürliche Bild wird gar nicht gezeigt und das muss sich einfach ändern. Erst dann können wir Räume schaffen, in denen wir auch über so etwas reden können, ohne dass es unangenehm ist. Oft höre ich: „Müssen wir noch darüber reden? Ist das nicht schon längst enttabuisiert?“ Da merke ich allerdings, wir sind auf einem guten Weg, denn so lange Menschen noch sagen „Mach kein großes Ding draus“, müssen wir noch ein Ding draus machen.
Wmn: Was sind deine persönlichen Vor- und Nachteile beim Free Bleeding?
Britta Wiebe: Die Beziehung von mir zu meinem eigenen Körper hat sich durchs Free Bleeding sehr verbessert. Ich sehe meine Menstruation nicht mehr als lästig oder nervig an, sondern eher als Wertschätzung dafür, was mein Körper alles leistet. Es ist einfach ein komplexer biologischer Prozess.
Die Nachteile sind ganz individuell. Für mich gibt es gar keine Nachteile mehr, da ich mich schon so daran gewöhnt habe. Man könnte denken, dass es zum Beispiel in der Natur beim Wandern kompliziert sein könnte. Allerdings ist es doch viel schwieriger, ein Periodenprodukt einfach so in der Natur zu wechseln. Vielleicht habe ich kein Wasser und kann mir nicht die Hände waschen. So muss ich kein Produkt mitnehmen und es irgendwo entsorgen. Je nach Jobsituation höre ich allerdings oft aus der Community, dass nicht immer eine Toilette gegeben ist. Im Privaten hatte ich das Problem allerdings noch nicht.
Menstruierende Personen: Was fehlt ihnen in der Gesellschaft?
Wmn: Wie können wir uns mehr für die Rechte und Stärken menstruierender Menschen einsetzen?
Britta Wiebe: Es gibt tausend Ansätze! Unser Ansatz bei Vulvani ist Bildung und Aufklärung. Ich glaube, das kann jede:r einzelne für sich machen, um einfach Verantwortung für den eigenen Körper zu übernehmen. Da wir als Einzelperson aufgeklärt sind, können wir auch Räume für Austausch mit anderen schaffen und von anderen lernen.
Ein Aspekt wäre auch bei der nächsten Generation früher mit der Aufklärung anzufangen. Damit diese vielleicht erst gar nicht eine so negative Haltung gegenüber der Periode einnehmen. Bei allen andern sollten wir da ansetzen, wo sie gerade im Leben stehen! Auch bei den Themen wie Verhütung und Fruchtbarkeit oft fehlt einfach Aufklärung und Menschen können Entscheidungen dadurch nicht so gut treffen. Beratung, Aufklärung und Austausch fehlen in vielen Bereichen einfach noch.
Soziale Medien: Sind sie hilfreich bei der Aufklärung?
Wmn: Welche Rolle spielt Social Media für dich bei der Aufklärung?
Britta Wiebe: Wir haben uns ganz bewusst dazu entscheiden, die Aufklärung über Social Media zu machen, weil es ein niedrigschwelliger Ansatzpunkt ist. Einer Frauenärztin die Fragen zu stellen, ein ganzes Buch darüber zu lesen oder sich selbst zu informieren, ist eine Verpflichtung, die viel Motivation erfordert. Bei Social Media erreiche ich Menschen, die sich gern nebenbei damit beschäftigen wollen, oder vielleicht aus Zufall auf das Thema stoßen. Durch die Kurzformate überfordern wir die Menschen auch nicht, so geben wir die Basics und Input auf spielerische Weise. Es wirkt oft gar nicht wie Aufklärung und trotzdem wird etwas über ein vermeintliches Tabuthema gelernt.
Zyklusbewusstsein: Deutschland vs. andere Länder
Wmn: Was unterscheidet denn die Aufklärung über die Periode in Deutschland von der Aufklärung in anderen Ländern?
Britta Wiebe: Mit 16 habe ich ein Jahr in den USA gelebt. Dort gab es zu der Zeit nur Tampons mit Einführhülsen. Das hat bei mir gar nicht geklappt. Meine Gastschwester musste mir das dann durch die Badezimmertür erklären. Für die Hülse kam dann die Erklärung, dass man sich ja sonst selbst anfassen müsste, durch die Hülse sollte es angeblich sauberer sein.
In Mexiko waren beispielsweise Tampons gar nicht so verbreitet, sondern eher Binden. Eine Freundin von mir dort wusste gar nicht, wie sie den Tampon einführen sollte. Ich habe ihr dann ein paar Tampons geschenkt, so richtig wohlgefühlt hat sie sich damit aber nicht. Das hat mir einfach gezeigt, dass es eine große Auswirkung hat, was für Produkte vorhanden sind oder wie deine Gesellschaft, deine Familie und deine Freunde damit umgehen.
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