Falschmeldungen zu Corona haben Hochkonjunktur. Zu Beginn der Pandemie mischten sich Tag für Tag neue Promis unter die Masse an Verschwörungstheoretikern, die während der Coronakrise einen Aufschwung erlebten. Das bereits vorbelastete Zugpferd Xavier Naidoo und sein Rammbock-Kollege Attila Hildmann bekamen wenig außer Spott zurück.
Mittlerweile ist die Berliner Anti-Corona-Demo Anfang August und die Anschlussdiskussionen schon eher ein Sinnbild für das beständige und alternativlose Misstrauen gegenüber Medien und dem Staat, der Kluft zwischen den Ansichten und ein Beweis dafür, dass es für viele schon lange nicht mehr um Wahrheit oder Objektivität geht. Die Parole „Es gibt keine Pandemie“ hält sich unter einigen Demonstranten wacker … immer noch.
Dabei schienen die Teilnehmer der Berliner Demonstration bunt gemischt. Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, extreme der linken und rechten Bewegung, Impfgegner, 5G-Spekulanten und eben auch einige Qanon-Verfechter, die ihre verschwörungstheoretischen Inhalte schon länger im Netz verbreiten. Sie alle eint letztendlich nur die Wut auf die Corona Maßnahmen und auf die Regierung.
Warum fallen wir so häufig auf Falschinformationen herein?
Die Berliner Demo bestätigt die Demonstranten in ihrer Auffassung über Corona-Falschmeldungen. Die Auffassung über die Berichterstattung bekommen Reporter vor Ort zu spüren. Kein Wunder, schließlich haben im Umkreis von wenigen Kilometern alle dieselbe Meinung, das macht Mut.
Menschen sind anfällig für Falschmeldungen, weil sie nach Selbstbestätigung suchen. Es geht darum, seine eigene Position zu stützen und zu stärken. Wahre Fakten und erfundene Fakten vermischen sich zu einem wirren Knäuel aus Verschwörungen und Intrigen. Was tatsächlich wahr und was falsch ist, lässt sich extrem schwer nachvollziehen.
Das Gefühl kommt auf, niemand lese mehr Nachrichten, alle lesen Propaganda. Wie sonst lässt sich zum Beispiel die Differenz der Teilnehmeranzahl erklären? Während offizielle Zahlen der Berliner Polizei von bis zu 20.000 Menschen sprechen, zählten die Veranstalter 1,3 Millionen.
Die Differenz ist absurd, sogar lächerlich groß und zeigt auch, wie groß der Drang zur Provokation ist und wie sehr wir dem Confirmation Bias erliegen, also dem Lesen von Meldungen, die unser Weltbild bestätigen.
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Es ist schwer, es zugleich der Wahrheit und den Leuten recht zu machen.
Wenn „Wer hat denn jetzt recht?“ zur Fangfrage mutiert, dann merkt man, dass nicht nur die USA ein riesiges Problem mit der Spaltung ihres Landes hat. Dass Trump das Gegenteil von Zusammenarbeit ausstrahlt, ist kein subjektives Empfinden mehr. Er befeuert die Entwicklungen. Aber wie sieht es in Deutschland aus?
YouTube wird zum News-Portal
Falschinformationen verbreiten sich online rasend schnell, vor allem über Soziale Medien. Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigt, dass sich Falschinformationen im Netz sechsmal schneller verbreiten als Wahrheiten. Auch, weil die Infos sehr einfach und verständlich gehalten sind. Die Quelle spielt kaum eine Rolle mehr.
Das jüngste Beispiel eines „Sensations-Interviews“, das vor wenigen Tagen auf YouTube veröffentlicht wurde, zeigt das deutlich. Im Interview erzählt der Kulturveranstalter Thomas Bayer weiter, was ihm ein Lokalpolitiker aus Osthessen gesagt haben soll. Im Interview ist von einem weiteren Lock-Down die Rede. Geplant für 3 – 6 Monate, Beginn um den 30. August. Gesehen wurde das Video bereits über 470.000-mal.
Dass der Lock-Down tatsächlich kommt, wirkt genauso abwegig wie die hohen Zahlen der Corona-Demo-Besucher. Bereits vor dem ersten Lock-Down stritten sich Politiker öffentlich um angemessene Maßnahmen, die wiederum in einem Regeldurcheinander der Bundesländer endete. Dass ein einheitlicher Befehl „von höchster Stelle“ vorliegt, ist kaum vorstellbar. Hat der geheime Strippenzieher über Deutschland jetzt auf einmal keine Lust mehr auf das Länderchaos und greift auf einmal durch?
Hinzu kommt, dass das Video nur so vor Falschaussagen strotzt. Die Fallzahlen der Coronainfektionen würden sinken, auch weltweit. Das RKI schreibt auf ihrer Website, dass die Anzahl der Fälle seit Anfang Juli wieder zunimmt. Von den weltweiten Zahlen ganz zu schweigen.
Die anschließenden Empfehlungen der beiden Interview-Darsteller: Deckt euch mit Lebensmitteln ein! Prominente Verschwörungstheoretiker predigen das schon länger. Nun ziehen auch die Unbekannten auf YouTube nach. Für viele Zuschauer wahrscheinlich kein Grund zur Panik. Seit den letzten Ausgangssperren ist der Keller noch gut gefüllt. Das Zeug ist zäh und erfüllt seinen Zweck.
Wie erkenne ich Falschmeldungen?
Falschinformationen schwächen nicht weniger als das Vertrauen in die Demokratie. Das Erkennen ist schwierig, aber enorm wichtig. Weil Unwahrheiten oft unbewusst, zu schnell wahrgenommen und aufgefasst werden, helfen dir unsere Tipps dabei, Fake News zu erkennen.
Wer auf der sicheren Seite sein möchte, kann sich an Faktenchecker halten. Das sind die Wichtigsten:
- CORRECTIV arbeitet unter anderem mit Google und Facebook zusammen. Fake News sollen direkt auf den Plattformen ekannt werden.
- Faktenfinder der ARD stellt Faktenchecks speziell für die Corona-Pandemie zur Verfügung.
- Faktenfuchs des BR nimmt auch Themenvorschläge entgegen.
- Mimikama ist ein Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch.
- AFPFactCheck ist eine Nachrichtenagentur aus Frankreich mit Mitarbeitern in vielen verschiedenen Ländern.
Wer diesen nicht trauen möchte, kann sich auch an seriösen Institutionen, wie das Robert-Koch-Institut als deutsches, unabhängiges Gesundheitsinstitut und die Johns Hopkins University als amerikanisches Pendant, halten.
Wissenschaft ist keine Glaubensfrage
Die Vorschläge werden auf heftigen Widerstand stoßen – so viel ist sicher. Wir müssen uns nichts vormachen, die Diskussionen werden mühsam und ergebnislos. Fakt ist: Auch Faktenfinder benötigen Vertrauen. Genauso wie Gesundheitsorganisationen- und Institutionen. Dasselbe gilt für Politiker und Wissenschaftler. Gerade sie wurden in letzter Zeit heftig und zum Teil unter der Gürtellinie kritisiert.
Aber wer weiß es besser? Diejenigen, nach denen die Zwangsimpfung am 15.05. passieren sollte? Facebook-Posts, die empfehlen, Bleichmittel zu trinken? Auf Rubikon? Wie Matthias Holland-Letz in Übermedien darstellte, finden sich hier neben einigen lesenswerten Texten auch Artikel wie „Der Verfassungsnotstand“, in auf dem der Herausgeber Jens Wernicke auf der „relativen Gefahrenlosigkeit“ des Erregers hinweist und auf Swiss Policy Research verlinkt. Die anonyme Schweizer Plattform hat weder Impressum noch Kontaktmöglichkeiten, verweist dazu selber als Faktenquellen auf anonyme Berichte.
Neben allen möglichen und fundierten weiteren Kritikpunkten und Falschinformationen über Corona, die ohne Ende auf Rubikon und Swiss Policy Research vorhanden sind: Das soll vertrauenswürdiger Journalismus sein?
Mehr über Corona?
Besonders eine Bewegung fällt mit unbelegten Verschwörungstheorien auf. Alles, was du über QAnon wissen solltest, findest du hier.
Besonders schockierend sind die Mutmaßungen von Donald Trump. Seine Aussagen über die Corona-Toten und ob Trump Kinder wirklich für immun hält, liest du hier.