Slow Sex ist beliebt wie noch nie sonst zuvor. Dabei geht es vor allem darum, das Tempo raus zu nehmen und so zu mehr Nähe beim Sex und zu intensiveren Orgasmen zu kommen. Slow Sex kann insbesondere Männern, die sonst zu früh zum Orgasmus kommen, helfen. Aber auch für Frauen, die etwas länger brauchen, ist Slow Sex perfekt. Und: Er eignet sich vor allem für Paare, die kaum noch Lust aufeinander haben.
In wmn.de erklärt der Autor, Körperpsychotherapeut, sowie Paar- und Sexualtherapeut Marc Rackelmann, was hinter dem Trend Slow Sex steckt und wie es funktioniert.
Slow Sex hilft Langzeitpaaren
Slow Sex kann insbesondere Langzeitpaaren dabei helfen, ihre Sexualität neu zu entdecken: „Am Anfang einer Beziehung kann man den Sex mit einem Prepaid-Handy vergleichen. Man hat ein Startguthaben und es funktioniert gut. Die Partner sind wild aufeinander und müssen sich keine Gedanken über ihr Sexleben machen“, erklärt Autor Marc Rackelmann.
Doch nach einer Weile ist das Guthaben aufgebraucht. Der Hormonrausch flaut ab, die Verliebtheit verschwindet. Die eigentliche Arbeit beginnt. Nicht nur was die Beziehung angeht, sondern auch die Sexualität.
„Jeder hat ein eigenes Leben, Freunde und Arbeit. Dass man nach einem langen Tag nach Hause kommt und direkt übereinander herfällt, ist bei Langzeitpaaren extrem selten. Also müssen sich solche Pärchen fragen, wie sie ihre Sexualität in Zukunft gestalten wollen. Denn die fällt einem nach einer bestimmten Zeit nicht mehr in den Schoß“, weiß Rackelmann.
Tipps wie etwa „Zieh dir doch mal was Schönes an, probiert es in einer neuen Stellung oder mach deiner Frau doch mal wieder ein Kompliment“, halten die Sexualität nicht auf Dauer am Leben. Denn Paare wollen mehr als das. Und das Mehr ist oftmals der Wunsch danach, so zu sein, wie man ist, eine tiefere Bindung einzugehen und den anderen besser zu spüren.
Und genau hier kommt Slow Sex ins Spiel. Denn er hilft Pärchen, die nur noch langweiligen, mechanischen Sex haben, sich wieder bewusst Zeit für Berührungen, Gefühl und wirkliche Verbundenheit zu nehmen. Und auch die eigene Lust wieder zu entdecken, zu erweitern.
Der perfekte Körper, die krasseste Performance? Darum geht’s hier nicht!
Slow Sex ist aber auch deshalb so beliebt, weil er hilft, den Leistungsdruck aus der Sexualität zu nehmen. „Das Bild, das wir heutzutage von Sexualität haben, ist komplett irreal. Damit beziehe ich mich nicht nur auf die falschen Körperideale.
Sondern auch darauf, wie Sexualität in Filmen dargestellt wird, und das nicht nur in Pornos“, erklärt Rackelmann. Und spricht weiter: „Man lacht mal, es passiert etwas Peinliches oder man muss mal pupsen. Aber das sieht man nie in den Filmen und insbesondere bei jungen Menschen können solche normalen Dinge dann Panik auslösen. Da kommen schnell Selbstzweifel und Fragen auf, ob das alles normal ist“, erklärt Rackelmann.
Aber auch, dass Sex immer so dargestellt wird, als würden beide Partner immer geil aufeinander sein und dass jeder Sex mit einem doppelten Orgasmus endet, sieht der Paartherapeut kritisch.
Da man beim Slow Sex nicht so schnell wie möglich auf den Orgasmus hinarbeitet, sondern sich Zeit nimmt, den Körper des Partners zu entdecken, nimmt er den Druck raus, eine Performance abliefern zu müssen.
Es lohnt sich für Frauen & Männer gleichermaßen
Slow Sex ist nicht nur perfekt für Frauen, die merken, dass ihnen beim Sex richtige Nähe fehlt. Sondern vor allem auch für Männer, die unter Leistungsdruck stehen. Und für die, die immer wieder zu früh zum Orgasmus kommen.
Wieso? „Ein Mann, der zu früh beim Sex kommt, erlebt den Sex nicht als lustvoll. Er hat das Gefühl, zu versagen. Und wer das ein paar Mal erlebt hat, steigert sich in eine innere Ansteigung rein. Da kommen Gedanken wie:
‚Oh Gott, hoffentlich klappt es dieses Mal‘ oder ‚Stopp, bloß nicht zu viel bewegen‘ und ‚hoffentlich ist sie nicht enttäuscht‘“. Diese Gedanken führen zu viel Anspannung und Druck. Aber wieso soll gerade hier Slow Sex helfen?
Laut dem Paartherapeuten haben Männer, die zu früh zum Orgasmus kommen, viel Spannung im Beckenboden. Aber nicht nur dort, sondern oft auch in den Pobacken, in den Oberschenkeln, im Zwerchfell und in der Bauchdecke.
Aber ein fester Muskel ist nicht sehr sensibel, nicht so berührungsempfindlich. Um beim Sex also wieder intensiver zu spüren, hilft eine vertiefte Atmung und eine bewusste Entspannung der Muskulatur und genau das ist ein wesentlicher Teil des Slow Sex. Die Entspannung.
„Erregung ist wie ein kleiner Topf: Wenn wir alles anspannen, fliegt uns der Deckel um die Ohren. Es kocht schnell über. Hier hilft nur bewusstes Entspannen“ – Paartherapeut Marc Rackelmann
Aber genau dieses Loslassen, diese Entspannung könnte vielen Männern schwerfallen. Denn viele von ihnen wissen nicht einmal, wie sie ihren Beckenboden gezielt an- und entspannen. Außerdem haben viele von ihnen noch das alte Rollenbild im Kopf, immer stark zu sein. Ganz nach dem Motto: Zähne zusammenbeißen und los geht’s!
„Beim Slow Sex geht es darum, sich nahe zu sein. Körperlich sowie emotional. Und da gehört auch dazu, sich und seiner Partnerin einzugestehen, dass man gerade angespannt ist und Angst vor dem Versagen hat“, erklärt Rackelmann.
Slow Sex ist nicht nur eine neue Technik, bei der es darum geht, einfach nur langsam zu machen, um zum Orgasmus zu kommen. Sondern es geht darum, wieder mit dem Herzen zu spüren, dessen Einfluss auf die Erregung häufig unterschätzt wird.
Wer sich Erfahrungsberichte durchliest oder mit Freunden über Slow Sex spricht, hört, wie sinnlich Paare den Sex dadurch erleben. So heißt es beispielsweise: „Sie bebbte und zitterte vor Lust, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe“.
Wie genau funktioniert Slow Sex eigentlich?
Nehmt euch bewusst Zeit füreinander. Macht Handy, Laptop und Fernseher aus und beginnt erst einmal nicht damit, die Genitalien zu streicheln, damit ihr eure Lust nur langsam steigert. Konzentriert euch am Anfang lieber auf andere Körperbereiche.
Aber es gibt keine Anleitung, wie Slow Sex perfekt funktioniert. Denn bei dem Konzept geht es weniger um den „perfekten Sex“, auch wenn Paare diesen durch Slow Sex wieder viel intensiver, viel schöner wahrnehmen. Hier geht es vielmehr um die Verbindung an sich. Darum, dass ihr euch nahe kommt. Dass ihr euch kuschelt, drückt, streichelt, leckt, miteinander lacht – und manchmal vielleicht auch streitet.
Fazit: Slow Sex kann eure Verbindung stärken, ist aber kein Allheilmittel für sämtliche Probleme
Slow Sex ist für viele am Anfang ungewohnt, ja sogar langweilig. „Gerade Männer, die gewohnt sind, sich über starke Reibung sexuell zu erregen, spüren erst einmal nicht viel“, erklärt Marc Rackelmann.
Also muss man beim Slow Sex erst einmal umlernen und Stück für Stück wieder die feinen Nuancen von Berührungen spüren.
„Wer Slow Sex ausprobieren will, sollte geduldig mit sich sein. Und nicht gleich die Lösung für alle Probleme erwarten. Sondern sich erlauben, die Sexualität vom Leistungsdruck zu befreien. Daraus mehr eine Spielwiese zu machen, in der Dinge ausprobiert werden können und nicht alles sofort funktionieren muss“, schließt Rackelmann das Thema ab.
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