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Götz George: Für immer der heilige Schimanski

Am 19. Juni 2016 hielt die deutsche Schauspielwelt ihren Atem an: Götz George war verstorben. Fünf Jahre später sind sein Leben und sein Werk noch lange nicht vergessen.

Götz George spielte im Laufe seiner Karriere in über 100 Serien und Filmen mit.. © imago/United Archives
Götz George spielte im Laufe seiner Karriere in über 100 Serien und Filmen mit.. © imago/United Archives

Ein rötlicher Felsbrocken – grob behauener Sandstein – kennzeichnet die letzte Ruhestätte von Götz George (1938-2016) auf dem Städtischen Friedhof von Berlin-Zehlendorf. Es scheint, als solle der Grabstein die markante Persönlichkeit des Verstorbenen eins zu eins abbilden.

Man braucht nicht besonders viel Fantasie, um darin die Züge des größten deutschen Filmstars der Nachkriegsgeschichte zu entdecken: Eine zerklüftete Gesichtslandschaft, wasserblaue Augen. Breite Stirn, kräftige Nase und ein Lächeln auf dem Mund, von dem man nicht so genau weiß, ob das freundlich gemeint ist oder einen nächsten Wutausbruch ankündigt.

So war er eben: ein Schauspieler der Extraklasse, der sich nicht mit jedem und jeglichem arrangieren konnte und wollte. Der unbeirrt seinen Weg ging, auch wenn er hart und steinig war. Am 19. Juni 2016 ist dieser vitale Mann überraschend im Alter von 77 Jahren gestorben. Das war vor fünf Jahren.

„Es wird keinen Zweiten wie ihn geben“

Geblieben sind einige großartige Filme, die Götz-George-Stiftung, die vor allem den Schauspielernachwuchs fördert – und die Erinnerung an einen außergewöhnlichen, gleichermaßen kraftstrotzenden wie sensiblen Darsteller, über den der Spiegel nach seinem Tod schrieb: „Es wird keinen Zweiten wie ihn geben.“

Er war das Kind genialer Schauspieler. Die Mutter Berta Drews (1901-1987) war eine brillante Bühnenkünstlerin, der Vater der berühmte Heinrich George (1893-1946), der laut „Die Welt“ als größter deutschsprachiger Schauspieler „mit geradezu dämonischem Spieldrang“ galt und in der Weimarer Republik mit dem Dramatiker Bertolt Brecht gearbeitet hatte. Ein legendärer Darsteller des „Götz von Berlichingen“, dessen Vornamen er seinem Sohn gab.

Allerdings wirkte Heinrich George in der Nazi-Zeit auch in den Propagandafilmen „Hitlerjunge Quex“, „Jud Süß“ und „Kolberg“ mit. Andererseits nahm er als Intendant des Berliner Schillertheaters Kollegen auf, die im NS-Regime unerwünscht waren. Nach 1945 kam er in ein sowjetisches Lager in Sachsenhausen, wo er mit 52 Jahren starb.

Das Streben nach seinem Vater

Götz George wuchs mit dem Verständnis auf, dass der Vater eine schauspielerische Überfigur war, die niemand erreichen könne – auch er selbst nicht. Zudem war die Familie davon überzeugt, dass Heinrich George kein Nazi und zu Unrecht in sowjetische Haft geraten war. Tatsächlich wurde er 1998 von den Russen rehabilitiert.

Die Mutter Berta Drews hat nach dem frühen Tod des Vaters die beiden Söhne großgezogen. Der ältere Jan (89) wurde Fotograf und Filmer, sein Bruder Götz Schauspieler. Schon als Kind stand er auf der Theaterbühne. Unerreichbarer Maßstab war, wie er es selbst häufig sagte, der tote Vater. Nach Aufführungen fragte er die Mutter: „War ich so gut wie Heinrich?“

Die Figur des Vaters begleitete den Sohn sein Leben lang, bis er ihn – gegen Ende des eigenen Lebens – 2013 selbst darstellte. In der ARD-Drama-Doku „George“ spielte Götz seinen Vater und erntete dafür euphorische Lobeshymnen, aber auch die Kritik, er wolle Heinrich George ungebührlich glorifizieren. Dazu sagte Götz dem Spiegel: „Wenn ein Mensch mit 52 Jahren sterben muss, dann hat er bezahlt.“

So kam der Stein ins Rollen

In seiner Jugend hat er eine solide Theaterausbildung absolviert und kam früh zum Film. Für seine Rolle in „Jacqueline“ (1959) wurde als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet. In den 1960er-Jahren wirkte Götz George in einigen Karl May-Filmen mit. Die Stunts machte der athletische junge Mann selbst. Seine erste große Charakterrolle im Kino hatte 1977 in dem Film „Aus einem deutschen Leben“, in dem er den Kommandanten des KZ Auschwitz verkörperte.

Götz George hatte viele Rollen gespielt und unterschiedlichen Figuren sein Gesicht gegeben. Er brillierte als Alzheimer-Kranker in „Mein Vater“ und als Massenmörder Fritz Haarmann in „Der Totmacher“, er war der Literat und vermeintliche Serienkiller Henry Kupfer in „Der Sandmann“. Er spielte den NS-Arzt Josef Mengele in „Nichts als die Wahrheit“ und zeigte sein komödiantisches Talent in den Filmen von Helmut Dietl, z.B. als Reporter Hermann Willié in „Schtonk!“ oder als Regisseur Uhu Zigeuner in „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“.

Doch die Rolle seines Lebens, mit der er die Herzen von vielen Millionen Zuschauern erobert hat, spielte im sozialen Milieu des Ruhrgebiets: Götz George war ab 1981 im WDR-Tatort Hauptkommissar Horst Schimanski aus Duisburg. „In der ersten Szene soff er ein rohes Ei, kurz darauf fiel das Wort Scheiße, das deutsche Fernsehen war neu erfunden“, schrieb der „Spiegel“.

Eine Welt ohne Schimanski? Kaum vorstellbar

Die Deutschen liebten Schimanski, in Duisburg wurde sogar eine kleine Straße nach ihm benannt. Die beliebteste Polizeifigur des deutschen Fernsehens bekam sogar die eigene Reihe „Schimanski“. 2013, da war George schon weit über 70, verdrosch er im letzten Schimi-Film Zuhälter. Die Action-Szenen hatte er noch selbst gespielt. „Er sah verdammt gut aus, es knackten nur die Knochen der anderen“, beobachtete der „Spiegel“.

Wie viel Schimanski steckte in George? In einem seiner seltenen Interviews sagte eer medienscheue Schauspieler, der übrigens seit Jahrzehnten Mitglied des Fußballclubs 1860 München war, dem „Tagesspiegel“: „Bin ich jemals durch die Tür gesprungen, hab ich jemals einem anderen die Nase gebrochen? Nie!“

Er habe „die so reizvolle Serienfigur 30 Mal unendlich gerne gespielt.“ „Jeder neue Schimanski musste wieder erfunden und ausgelotet werden“, ergänzte er 2014 im „Hamburger Abendblatt“. „Das machte die Figur spannend. Vor allem in der Kulisse einer gebrochenen Stadt mit ganz besonderem Flair: kraftvoll und zerbrechlich.“

„Ich hab genug gestrampelt“

Im gleichen Gespräch zeigte er sich erstmals müde: „Das Fernsehen ist verflacht, das Geschäft ist gnadenlos und egoistisch geworden. Das Wasser muss in meinem Fall flacher werden. Ich hab genug gestrampelt.“

Ende Juni 2016 kam die schockierende Nachricht, dass Götz George in Hamburg verstorben sei. Seine zweite Frau, die Hamburger Journalistin Marika Ullrich (61), und seine Tochter, die Künstlerin Tanja George (54, aus der ersten Ehe mit der Schauspielerin Loni von Friedl, 77), waren bei ihm. Die Todesursache wurde nicht mitgeteilt, „Bild“ berichtete von Krebs.

Götz George ist so gegangen, wie er es für Horst Schimanski vorgesehen hatte: „Dieser Typ tritt so leise ab, wie er laut angefangen hat.“

(ln/spot)